B14 IN STUTTGART – GENUG GESCHWÄTZT, FANGT ENDLICH AN!

Stuttgart, so hat man den Eindruck, ist wie die deutsche Automobilindustrie: der Entwicklung meilenweit hinterher. Während andere Städte die Abkehr von der autogerechten Stadt längst geschafft haben, hält Stuttgart tapfer an seiner Stadtautobahn fest. Der Wettbewerb zur Umgestaltung der B14 fand 2020 statt, mit hervorragendem Ergebnis. Er hat gezeigt: Mehr Lebensqualität, attraktive Stadträume und eine umweltverträgliche Mobilität sind keine Utopie! Doch nun will der Baubürgermeister erst einmal den Verkehr zählen und eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Aber es geht nicht darum, was der Verkehr will, sondern was wir für eine Stadt wollen.

Aufbruch Stuttgart e. V. lädt ein:

„Welche Stadt wollen wir?“
Vortrag von Patrick Gmür, Architekt, Juryvorsitzender des B14-Wettbewerbs und von 2009 bis 2016 Direktor des Amts für Städtebau der Stadt Zürich

„Wo und wie fangen wir an?“
Vortrag von asp Architekten, Gewinner des Wettbewerbs „Neuer Stadtraum B14 Stuttgart“

Danach stellen sich die Referenten der Diskussion mit dem Publikum. Im Anschluss lädt Aufbruch Stuttgart dazu ein, den Abend bei Wein und Brezeln im Foyer ausklingen zu lassen.

Dienstag, 10. Oktober, 18.30 Uhr, Forum Haus der Architektinnen und Architekten, Danneckerstraße 54.

Der Eintritt ist frei.

WEG MIT CRANKO?! – DIE REAKTION VON THOMAS KOCH, DIREKTOR FÜR STRATEGISCHE KOMMUNIKATION AN DER STAATSOPER STUTTGART

Lieber Thomas Rossmann,

um die Mitglieder von Aufbruch Stuttgart umfassend zu informieren, bitte ich Sie, ihnen folgende Nachricht zukommen zu lassen:

Sehr geehrte Mitglieder von Aufbruch Stuttgart,

der am 28.06.2023 von Ihrem Vorstandsvorsitzenden an die Stuttgarter Lokalpresse verschickte Brief mit der Überschrift „Weg mit Cranko?!“ enthält zahlreiche unfundierte Annahmen und korrekturbedürftige Aussagen, zu denen ich wie folgt Stellung nehme:
Der Einbau einer Kreuzbühne in das Opernhaus ist notwendig, um das Theatergebäude in seiner Funktion als Spielstätte für die Staatsoper Stuttgart und Das Stuttgarter Ballett zukunftsfähig zu machen. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat nach eingehender Prüfung am 28. Juli 2021 mit einem Grundsatzbeschluss die Weichen für die Sanierung, Modernisierung und Erweiterung des Littmann‐Baus inklusive Kreuzbühne gestellt.

Tamas Detrich, der Intendant des Stuttgarter Balletts, hält den Einbau einer Kreuzbühne für unverzichtbar. Diese würde die Gestaltung des Spielplans erheblich erleichtern und dem Stuttgarter Ballett erlauben mehr Vorstellungen zu absolvieren. Ein klarer Gewinn für das Publikum!
Viktor Schoner, Intendant der Staatsoper Stuttgart, kennt viele Opernhäuser, in denen es keine Kreuzbühne gibt, dafür aber vergleichbare Flächen, die diese Aufgaben übernehmen. Im Stuttgarter Opernhaus ist diese Funktionalität aber nur mittels einer Kreuzbühne zu erreichen.
Für eine Kreuzbühne fehlt im jetzigen Zustand des Littmann-Baus ein Teil des dafür erforderlichen Raums. Im Zuge der Sanierung soll daher auf einer Breite von 16 Metern der Mittelrisalit auf der Südseite um zweieinhalb Meter in Richtung Landtag erweitert werden. Durch diese Maßnahme wäre nicht nur der Einbau einer Kreuzbühne möglich. Der Littmann-Bau erhielte durch die Südflügelverlängerung auch seine natürliche Symmetrie zurück, die durch den Einbau der obligatorischen königlichen Kutschenvorfahrt von 1912 verloren gegangen war.  Südflügel und Nordflügel wären so wieder ins Gleichgewicht gebracht.

Wie mit dem Walter-Erich-Schäfer Ballettsaal im Zuge der Sanierung umgegangen wird ist ebenso eine Aufgabe des Architektenwettbewerbs für den Standort am Oberen Schlossgarten wie die weitere Nutzung des von Gottfried Böhm erbauten Pavillons für die Pausenbewirtung im Innenhof der Staatstheater.

Es wäre für alle Akteure und Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt hilfreich, wenn der Verein Aufbruch Stuttgart zukünftig dafür Sorge tragen würde, Mutmaßungen und Behauptungen vor deren Veröffentlichung auf ihre Richtigkeit in der Sache zu überprüfen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Koch
Direktor Strategische Kommunikation
Staatsoper Stuttgart / Württembergische Staatstheater Stuttgart

 

Liebe Mitstreiterin, lieber Mitstreiter,

der Direktor Strategische Kommunikation, Staatsoper Stuttgart / Württembergische Staatstheater Stuttgart, unser Mitglied Thomas Koch, hat mit einer Stellungnahme – siehe im Folgenden –
auf die Pressemitteilung/den Mitgliederbrief von Aufbruch Stuttgart vom 28. 6. 2023 („Weg mit Cranko?“) reagiert und gebeten, diese den Mitgliedern des Vereins zukommen zu lassen.

Aufbruch kommt dieser Bitte hiermit nach, bleibt aber bei seiner ablehnenden Position zur geplanten Kreuzbühne.

Zugleich weist der Verein die Behauptung der Theaterleitung zurück, Mutmaßungen in die Welt zu setzen, die nicht auf ihre Richtigkeit geprüft worden seien.

Sachlich falsch ist auch die Darstellung der Direktion, mit der Erweiterung durch eine Kreuzbühne würde Littmanns Opernhaus verbessert, indem eine „verloren gegangene Symmetrie“ wieder hergestellt würde. Fakt ist, dass das Gebäude von seinem Architekten genauso geplant war, wie es heute dasteht.

Bildquelle:
Littmann, Max
Die königlichen Hoftheater in Stuttgart
Darmstadt, Koch 1912

WEG MIT CRANKO?!

Durch den Einbau einer Kreuzbühne droht der Oper eine Vernichtungsorgie

„Spuren“ heißt das letzte Stück von John Cranko. Zum 50. Todestag des legendären Stuttgarter Ballettdirektors war es gerade in einer rekonstruierten Fassung auf der Bühne in Stuttgart zu sehen. Spurlos verschwinden soll dagegen der Ballettsaal, in dem Cranko seine Ballette choreographierte: Ein Opfer der geplanten Kreuzbühne, die im Zuge der Opernsanierung eingebaut werden soll.

Tamas Detrich, der heutige Ballettdirektor, kämpft für den Erhalt des Saals, wie er in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ sagte, „denn in diesem Studio ist der Geist Crankos präsent und es ist wichtig für die Geschichte des Stuttgarter Balletts“.

Spätestens mit dieser Äußerung ist die Behauptung von Intendanz, Verwaltungsrat und Politik vom Tisch, dass es sich bei der Kreuzbühne und der damit verbundenen Verschiebung der Opernhausfassade in Richtung Landtag quasi um einen minimalinvasiven Eingriff handle. Die Veränderung werde hinterher praktisch kaum zu sehen sein, bekommen Fachleute, die diese Pläne kritisieren, immer wieder zu hören.

Darum noch einmal im Klartext: Aufbruch Stuttgart hält die Sanierung nicht nur für wünschenswert, sondern für dringend geboten. Die Bürgerinitiative ist – anders als kolportiert wird – für die Sanierung, kritisiert aber die Umbaupläne in der vorliegenden Form. Eine Kreuzbühne erhöht die ohnehin astronomischen Sanierungs- und Umbaukosten, bringt aber weder funktional noch künstlerisch Verbesserungen. (Die sechs Auszeichnungen der Stuttgarter Oper als „Opernhaus des Jahres“ stammen allesamt aus kreuzbühnenfreien Zeiten.)

Schlimmer noch: Für eine unnütze Kreuzbühne, die der Ballettintendant Tamas Detrich in Zweifel zieht und der Opernintendant Viktor Schoner hinter vorgehaltener Hand als verzichtbar bezeichnet, wird die eigene Kulturgeschichte vernichtet. Selbst vor größten Namen macht der technokratische Furor der Verantwortlichen nicht Halt. Denkmalschutz? Der hat im Zweifelsfall in Stuttgart noch kein Denkmal geschützt. Das Opernhaus des gefeierten Architekten Max Littmann, eines der schönsten Opernhäuser der Welt, wird durch den geplanten Umbau ebenso zerstört wie der Ballettsaal des großen John Cranko und – nicht zu vergessen – der Pausenpavillon von Gottfried Böhm, einem der größten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts und der erste deutsche Pritzker-Preisträger. Für diese Vernichtungsorgie gibt es nur einen Ausdruck: Barbarei!

Aufbruch Stuttgart e. V.

Weitere Informationen aus der Presse:

In_diesem_Studio_StN_24_25_06_2023

Bildquelle:
Littmann, Max
Die königlichen Hoftheater in Stuttgart
Darmstadt, Koch 1912

STUTTGART IST ÜBERALL – ÜBERALL IST STUTTGART

Nicht bloß provisorische Abstellfläche, sondern ein Zeremonialraum für Fahrzeuge: Der Rathausplatz von Ingolstadt um 1960, DOM Publishers

Zur Feier des Autos
FAZ, 09.06.2023

Schlachtfelder der Nachkriegsmoderne: Ulrich Brinkmann legt eine Sammlung von Postkarten deutscher Städte vor. Sie zeigen, wie der urbane Raum zwischen 1949 bis 1989 für den Verkehr zugerichtet wurde. Von Michael Mönninger

Nicht bloß provisorische Abstellfläche, sondern ein Zeremonialraum für Fahrzeuge: Der Rathausplatz von Ingolstadt um 1960, DOM Publishers

Auf Entwürfen für Bauwettbewerbe nach 1945 lösen sich Gebäude und Straßen immer mehr in kybernetische Regelkreise und abstrakte Diagramme auf. Die Räume und Volumina sind durch den Steuerungsglauben der Planer vollständig in die Funktionale gerutscht und geben nichts von der kommenden Realität wieder. Gegen diesen Anschauungsverlust hat der Berliner Architekturredakteur Ulrich Brinkmann eine ebenso unscheinbare wie sensationelle Bilderwelt entdeckt, die schon früh zeigte, wie damals die Welt von morgen aussah.

Mit über 200 Postkarten deutscher Nachkriegsstädte in West und Ost entfaltet Brinkmann ein Crescendo des Schreckens der autogerechten Stadt. Diese ästhetische Lumpensammlerei trägt weitgehend Dokumente ohne Autor zusammen, die fast an Heinrich Wölfflins Stilkunde einer „Kunstgeschichte ohne Namen“ heranreicht. Kleinverlage, Souvenirhändler, Hobbyfotografen und Kommunalverwaltungen stellten Ansichtskarten von ihren erneuerten Städten her, die wie Reiseandenken versendet wurden: aufgerissene Stadteingänge mit Schnellstraßen, Durchbrüche in historischen Altstädten, Riesenkreuzungen mit Tunnel- und Brückensystemen.

Auffällig an den frisch planierten Stadtglatzen und Kaltluftschneisen ist ihre Leere. Nur wenige Autos und Passanten stören die Ruhe dieser Freiflächen, die als „Verkehrserwartungsland“ (Brinkmann) der Massenmotorisierung entgegenträumen. Mit Vorliebe wählten die Fotografen ihre Perspektiven von der Mitte der Fahrbahnen aus, weil sie noch nicht Gefahr liefen, von Blechlawinen überrollt zu werden. Und fröhlich strahlen die ersten VW-Käfer, Ford-„Badewannen“ und Opel-Kadetts in allen Bonbonfarben im Gegensatz zu den schwarz-weiß-silbernen Standard-Karosserien heute, die mit der Tristesse von Kondolenz-Flotten durch die Städte ziehen.

Das Eindringen der Peripherie ins Zentrum

Nach Brinkmanns köstlichem Postkarten-Buch 2020 über die Fußgängerzonen im Wiederaufbau („Achtung vor dem Blumenkübel“) zeigt er nun die bittere Koevolution der dazugehörigen Verkehrswege. Straßen versteht er nicht bloß als Funktionselemente, sondern als gesellschaftliche Repräsentationsräume. Und Postkarten, einst ein Leitmedium des touristischen Blicks, adeln die ästhetisch unterkomplexen Autoschneisen und Abstandsflächen zu Sehenswürdigkeiten.

Schon das erste Kapitel „Marktplatz wird Parkplatz“ über die Stadtplätze in Frankfurt am Main, Ingolstadt, Waren, Dortmund, Hildesheim sowie im ostdeutschen Wismar oder Brandenburg schildert, wie sorgfältig choreographiert die Autos zwischen den reparierten Altstadtfassaden parkten. Die guten Stuben der Städte dienten offenbar nicht bloß als Provisorien für spätere Hoch- und Tiefgaragen, sondern als Stadtkronen und Zeremonialräume zur Feier des Autos als schönster Errungenschaft der Aufbaujahre.

Ebenso stolz zeigen die Karten, mit welch rabiaten Durchbrüchen die Infrastrukturen der Peripherie ins Zentrum drängten. Das ergab zuweilen noch halbwegs fassbare Stadträume wie die Lange Straße in Rostock, die Kampstraße in Dortmund oder die Berliner Straße in Frankfurt am Main, die von Fassadenwänden und Gehsteigen eingefasst sind. Doch bei der Ost-West-Straße in Hamburg oder der Leningrader (heute Petersburger) Straße in Dresden wurde jeder Bezug von Haus und Straße aufgegeben. Die Autoschneisen berühren nur noch zufällig ihre Randbebauung, Orientierung bieten allein die Fahrbahnmarkierungen und Wegweiser. Raumfressend kommen schräg gestellte Parkbuchten mit eigenen Rangierspuren und Grünstreifen in der Fahrbahnmitte hinzu, die die Gehwege verdrängen und jede Eigenräumlichkeit zerstören.

Der Wahnsinn hat bis heute Methode

Brinkmanns Sammlung lässt sich wie ein Stammbaum der urbanen Degene­ration lesen. Erst wachsen die linearen Kreuzungen zu den flächigen Kreisverkehren, dann geht es mit Überführungen und Straßentrögen in die Vertikale, und schließlich werden die Passanten in den B-Ebenen der Republik wie Ratten in der Kanalisation vertunnelt etwa an der Frankfurter Hauptwache, der Hannoveraner „Passerelle“ oder im Bonner „Loch“.

Selbst bei brutalen Kahlschlägen von Ulm bis Berlin plädiert Brinkmann mit etwas modischer konservatorischer Empfindsamkeit für sorgfältigen Umgang mit diesen Schlachtfeldern der Nachkriegsmoderne. Leider fehlen den meisten Karten die Jahresangaben. Durchweg falsch bleibt sein Narrativ, erst der Krieg habe die Tabula rasa für diesen radikalen Stadtumbau geschaffen; in Wahrheit gab es die größten Stadtzerstörungen im Neuaufbau nach 1945. Und hilfreich wäre ein Exkurs gewesen, dass dieser Wahnsinn bis heute Methode hat. Denn weiterhin gelten die „Richtlinien für die Anlage von Straßen“, die mit expansiven Regelquerschnitten, Kurvenradien und Neigungswinkeln eine in Paragraphen gegossene Anleitung zur Stadtzerstörung sind. Dabei hatte alles, wie die Ansichtskarten zeigen, so schön und friedlich angefangen.

Cover „Vorsicht auf dem Wendehammer“

Ulrich Brinkmann: „Vorsicht auf dem Wendehammer“. Die Straße als Element des Städtebaus. Ansichtspostkarten in der DDR und der Bundesrepublik 1949 bis 1989. DOM publishers, Berlin 2023. 288 S., Abb., br., 28,– €.

WIR TREFFEN UNS IM CAFÉ LITTMANN

Die Entdeckung der Schnelligkeit: Kaum haben die Staatstheater den Wunsch nach einer Außengastronomie vor dem Littmann-Bau ventiliert, hat sich der Gemeinderat schon mehrheitlich dafür ausgesprochen.

Es ist also doch kein Naturgesetz, dass in Stuttgart immer nur geredet, nicht gehandelt wird. Schon in Kürze, berichtet die „Stuttgarter Zeitung“, soll es am Eckensee mit einem Café für 144 Gäste losgehen.

Die Bürgerinitiative Aufbruch Stuttgart e. V., die den Vorschlag des Staatstheaters sofort aufgegriffen und befürwortet hat, freut sich über die zügige Entscheidung des Gemeinderats und den ersten Espresso vor der Oper. Aufbruch hat auch einen Vorschlag, wie das Kind heißen könnte: Wie wär’s mit „Café Littmann“ – zu Ehren des Architekten Max Littmann, der das Ensemble des Königlich Württembergischen Hoftheaters einst (1909-1912) schuf? So könnte das Café nicht nur „eine sanfte Freundschaft mit dem Theater“ wachsen lassen, wie die Grünen-Stadträtin Christine Lehmann hofft, sondern auch den Namen des genialen Erbauers im Bewusstsein der Bevölkerung verankern.

Aufbruch Stuttgart e. V. sieht aber ebenso wie die Politik eine Reihe offener Fragen. Ungeklärt ist etwa, wo die vom Theater vorgesehenen neun Container für Lager-, Kühl- und Sanitäreinrichtungen platziert werden können, so dass sie das Bild des Schlossgartens möglichst wenig beeinträchtigen. Langfristig müssen jedoch alle Funktionen für den gastronomischen Betrieb in das sanierte und erweiterte Ensemble der Theaterbauten integriert werden, fordert Aufbruch, damit das unschöne Containerdorf nicht zur Dauereinrichtung wird. Auch, wie sich das Café außerhalb der Öffnungszeiten präsentiert, ist noch unklar.

Wo künftig die Hauptradroute verläuft, kann dagegen keine ernsthafte Frage mehr sein. Der Park gehört den Erholungsuchenden, den Familien mit Kindern, den Fußgängern und Besuchern des „Littmanns“. Eine alternative Radroute entlang der B14 ist daher Voraussetzung für die Außengastronomie vor dem Opernhaus. Falls dafür eine Fahrspur weggenommen würde, hätte diese Maßnahme nach Meinung von Aufbruch Stuttgart e. V. zudem den Charme, dass damit ein Anfang für die Neuordnung der B14 gemacht würde, so wie es auch Grüne, SPD, FrAktion und PULS in einem interfraktionellen Antrag zur Verkehrswende in Stuttgart fordern.

EIN HOCH AUF DIE OPER, EIN HOCH AUF DIE BAUKUNST!

Aufbruch Stuttgart e. V. hält die Sanierung des Littmann-Baus für unumgänglich – die Sanierungspläne von Intendanz und Politik aber nicht für alternativlos

Oper, Ballett und Schauspiel sind echte Publikumsmagnete und wie am 28. 4. 2023 in der „StZ“ zu lesen, haben die Württembergischen Staatstheater nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Verantwortlichen alle Erwartungen in dieser Saison erfüllt, ja sogar übertroffen. Es ist wunderbar, dass das Corona-Loch überwunden zu sein scheint, kulturelle Veranstaltungen gut besucht sind und das Publikum wieder den Weg an den Eckensee findet!

Die Begeisterung hat Tradition. Sechs Mal wurde die Stuttgarter Oper in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt. Der Staatsopernchor Stuttgart zählt zu den besten Chören des europäischen Musiktheaters und wurde bereits dreizehn Mal mit dem Titel „Opernchor des Jahres“ ausgezeichnet. Auch das Staatsorchester Stuttgart wurde bereits zum „Orchester des Jahres“ gewählt.

Es könnte so weitergehen. Die Staatstheater könnten, wie die StZ schreibt, zum „Motor für einen Kulturrausch in der Metropolregion Stuttgart“ werden. Die Intendanten scheinen den Geschmack des Publikums zu treffen und die Leistungen der Künstler sind überragend, und das obwohl die Arbeitssituation für die Beschäftigten der Staatstheater unzumutbar ist und sie wohl noch lange auf Verbesserungen warten müssen.

AUFBRUCH STUTTGART plädiert deshalb dafür, die Sanierung der Oper so schnell wie möglich voranzutreiben! Die Beschäftigten und Künstler leiden täglich unter der jahrzehntelang verschleppten Sanierung, aber auch die Schäden am denkmalgeschützten Littmann-Bau sind selbst für Laien nicht mehr zu übersehen. Beim Sturm vor zwei Jahren wurden große Teile des Kupferdachs weggerissen, die jetzt als Mahnmal (oder Schandmal?) im Eckensee ruhen.

Mit den Plänen der Oper und der Politik geht AUFBRUCH STUTTGART dennoch nicht konform. Die Bürgerinitiative setzt sich für eine Sanierung im Bestand ein. Und sie verfügt über genügend Expertise in den eigenen Reihen, um nachzuweisen, dass das möglich ist. AUFBRUCH ist vor allem gegen den Einbau einer sogenannten Kreuzbühne, die diesem wertvollen Baudenkmal – dem letzten intakten dieses Kalibers in Stuttgart – ungeheuren Schaden zufügen würde, was sowohl die Intendanz als auch die Politik permanent zu verschleiern versuchen. In dieser Sache ist sich die Bürgerinitiative mit dem Schwäbischen Heimatbund einig, der ebenfalls vor einer Verunstaltung des Bauwerks warnt.

Die alternativen Vorschläge von AUFBRUCH zum schonenderen Umgang mit dem Littmann’schen Baukunstwerk hätten zudem den Vorteil, dass die Oper und das Ballett noch in diesem Jahrzehnt wieder im Littmann-Bau spielen könnten und nicht erst 2040, wie der Zeithorizont für den Wiedereinzug der Theaterbetriebe zuletzt lautete. Und das aufgrund von Inflation und immensen Kostensteigerungen gerade im Bauwesen inzwischen bis zu 1,5 Milliarde Euro zu veranschlagende Sanierungsprojekt würde auch wesentlich weniger Steuergelder verschlingen. Opernsanierung ja – aber billiger und besser! lautet daher die Devise von AUFBRUCH STUTTGART.

Die geplante Außengastronomie der Staatstheater findet dagegen die ungeteilte Zustimmung von Aufbruch Stuttgart e. V.. Für die Besucher der Staatstheater und des umliegenden Schlossgartens, ja für die ganze Stadt, wäre ein „Café Littmann“ vor den beiden Häusern herrlich. Es gibt kaum einen schöneren Platz in der Stadt als vor dem Ensemble der Theaterbauten mit Blick auf den Park und den Eckensee. Der umliegende Schlossgarten soll in erster Linie dem Aufenthalt von Erholungsuchenden und Familien mit Kindern dienen. Ein Café würde zudem zur Aufwertung des öffentlichen Raums beitragen und die Attraktivität der Innenstadt erhöhen.

Die Chance, dieses einmalige kulturelle Ensemble auch nach außen zu öffnen, die Bindung des Publikums an die Staatstheater zu stärken und langfristig zu einer Belebung der Gebäude auch über die Vorstellungen in den Abendstunden hinaus beizutragen, sollte mit beiden Händen ergriffen und realisiert werden.

HAUPTRADROUTE 1 DURCH DEN SCHLOSSGARTEN – MUSS DAS SEIN?

Rad ab!

Zur Auseinandersetzung um die Hauptradroute 1 und ein Theatercafé im Schlossgarten

Mit größtem Befremden verfolgt Aufbruch Stuttgart e. V. die Diskussion um die Hauptradroute 1 durch den Schlossgarten und den Wunsch der Staatstheater, zwischen Oper und Schauspielhaus eine feste Außengastronomie einzurichten.

Aufbruch begrüßt den Plan, ein Café an dieser Stelle zu etablieren. Es gibt kaum einen schöneren Platz in der Stadt als vor dem Ensemble der Theaterbauten mit Blick auf den Park und den Eckensee. Ein Theatercafé würde zur Aufwertung des öffentlichen Raums beitragen und die Attraktivität der Innenstadt erhöhen. Zudem hat ein Theatercafé nach Meinung von Aufbruch das Potenzial, die Bindung des Publikums an die Staatstheater zu stärken und langfristig zu einer Belebung der Gebäude auch über die Vorstellungen in den Abendstunden hinaus beizutragen.

Die gegen eine Außengastronomie vorgetragenen Bedenken hält Aufbruch Stuttgart dagegen für absurd. Den Radschnellweg durch den Schlossgarten zu führen, war von Anfang an eine krasse Fehlentscheidung. Der Park dient dem Aufenthalt von Erholungsuchenden und Familien mit Kindern. Aber weder kleine Kinder noch Erwachsene sollten sich im Schlossgarten vor eiligen Radfahrern in Acht nehmen müssen oder ständig Gefahr laufen, verletzt zu werden. Falls nun die geplante Außengastronomie der Staatstheater mit dem Hinweis auf die Risiken durch den Radschnellweg abgelehnt würde, hätten Fußgänger als das schwächste Glied in der Kette wieder einmal das Nachsehen.

Der Radschnellweg gehört zwingend auf die Seite zur B14. Für die zögerliche Haltung der SPD hat Aufbruch Stuttgart kein Verständnis. Noch weniger lässt die Bürgerbewegung den Einwand der CDU-Gemeinderatsfraktion gelten, dass der Platz dort für den Autoverkehr benötigt würde. Diese Ansicht verrate nur eines: Dass die CDU ideologisch noch immer an der autogerechten Stadt der Nachkriegsjahre festklebt und von der allgemeinen Verkehrswende ebenso wenig mitbekommen hat wie vom Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats, den Autoverkehr auf der B14 in Zukunft um 50 Prozent zu reduzieren.

Aufbruch Stuttgart fordert Politik und Verwaltung daher auf, die Hauptradroute 1 umgehend an die B14 zu verlegen sowie die Einrichtung einer Außengastronomie vor Oper und Schauspiel zügig voranzutreiben.

B14: SCHREIBEN AN DEN OBERBÜRGERMEISTER HERRN DR. FRANK NOPPER

B14: Schreiben an den Oberbürgermeister unserer Landeshauptstadt, Herrn Dr. Frank Nopper und an seinen Beigeordneten für Städtebau, Wohnen und Umwelt, Herrn Peter Pätzold

Anrede, …

laut Öffentlicher Auslegung des Bebauungsplanentwurfes „Hauptstätter-/Esslinger Straße (Stgt 317)“ soll die Zielplanung „Neuer Stadtraum B14“, d. h. der Entwurf von asp Architekten, Stuttgart/Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart, mittelfristig umgesetzt werden.

Damit ein gesetzter, mittelfristiger Termin auch eingehalten werden kann, müssen wesentliche Planungen und politische Entscheidungen naturgemäß kurzfristig vorab getroffen werden.

Aus Sicht von Aufbruch Stuttgart erscheint als wichtige Bedingung ein Beschluss des Gemeinderates erforderlich, der die Umsetzung der asp/Koeber-Planung zur B14 verbindlich politisch festlegt. Entsprechen doch die Vorgaben für den Wettbewerb zur B14 – die Reduktion um 50% der bisherigen Verkehrsflächen für den motorisierten Individualverkehr – einem Paradigmenwechsel, der deutlich und proaktiv in die Stadtgesellschaft getragen werden sollte. Zu berücksichtigen sind auch angedachte Vorhaben im Bereich City-Ring nach Fertigstellung des neuen Bahnhofs, eine Verkehrsberuhigung in der Schillerstraße und in dem Bahnhofsbereich bei gleichzeitiger Ertüchtigung der Wolframstraße.

Es erscheint uns demnach sinnvoll, wie bereits bei anderer Gelegenheit angesprochen, durch ein Verkehrsgutachten zu untersuchen, welche verkehrliche Leistungsfähigkeit die Zielplanung und die Planungen im Umfeld des neuen Bahnhofs tatsächlich bringen wird. Nicht zielführend, um nicht zu sagen absurd, sind Verkehrsgutachten, die von der heutigen Verkehrsbelastung ausgehen, um damit Mängel der Zielplanung herauszuarbeiten.

Im Verkehrsentwicklungskonzept (VEK2030) aus dem Jahr 2014 hatte die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) eine Planung für die B14 als Boulevard vorgelegt. Dabei wurde gezeigt, dass bei Beibehalten der Funktionalität im betrachteten Planungsbereich von Marienplatz bis Neckartor Seitenräume von ca. 20 m bis 40 m für Stadtplanung gewonnen werden können. Zitat aus dem VEK2030: “Die Umsetzung dieses Konzeptes ist zwar im Grundsatz bereits beschlossen, eine Finanzierung steht jedoch noch aus.“ **Das **Fortschreiben des VEK2030 ist dringend erforderlich, um verkehrspolitische Ziele klar zu definieren und zu kommunizieren – auch im Hinblick auf die beschlossene Klimaneutralität bis 2035.

Im Schreiben des Beigeordneten für Städtebau, Wohnen und Umwelt Peter Pätzold vom 21.12.2021 an Aufbruch Stuttgart wurde das Fortschreiben des VEK2030 ab 2024/2025 avisiert. Dieser Zeitpunkt erscheint uns als zu spät.

In dieser Studie dürfen nicht nur Verkehrsprobleme behandelt, sondern müssen detaillierte Vorschläge zu einer schrittweisen Realisierung des asp-Entwurfes, sowie deren städtebaulichen Auswirkungen auf die angrenzenden Quartiere vorgelegt werden.

Nach Aussage der LHS werden in alle laufenden bzw. geplanten städtebaulichen Maßnahmen im Bereich des Stadtraumes B14 die asp/Koeber Landschaftsarchitektur-Planung mit einbezogen. Nur erscheinen dann planerischen Entscheidungen wie beim Haus für Film und Medien bzw. beim Mobility-Hub von E. Breuninger GmbH & Co als sehr fragwürdig. Die Kante der erwähnten Baukörper soll im EG-Bereich nicht auf die zukünftige Reduktion der Fahrstreifen reagieren, während die oberen Geschosse um ca. 3 m auskragen dürfen – ein städtebaulich sehr unbefriedigender Kompromiss.

Wir gehen davon aus, dass bei der avisierten Auslobung der Sanierung der Württembergischen Staatstheater (WST) zusammen mit der Erweiterung des Königin-Katharina-Stifts (KKS) nicht ähnlich schlechte Ergebnisse erreicht werden dürfen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen entsprechend der Meldung der LHS vom 12.7.2022 eindeutiger definiert sein, wie z. B.

• für die überbaubare Fläche ausschließlich die Variante „2“ bzw. die Variante „Planung asp“, (siehe LHS, Amt für Stadtplanung und Wohnen, „Hauptstandort Württembergische“ Staatstheater, mündlicher Bericht, 12.7.2022, Seite 7
detaillierte Angaben zum Flächenbedarf des vorgesehenen Kulissengebäudes
sowie präzise Angaben zum Standort der KKS-Multifunktionshalle und gegebenenfalls weiterer gewünschter Klassenräume

Neben den laufenden Bauprojekten sollten aber auch früher vom Gemeinderat entschiedenen Maßnahmen nochmals im Zusammenhang mit der Zielplanung B14 einer Prüfung unterzogen werden. Hier sei stellvertretend die Verlängerung des Tunnels am Gebhard-Müller-Platz in Richtung Neckartor um ca. 200 m erwähnt, der nach Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs in Angriff genommen werden soll – eine der Zielplanung völlig entgegengesetzte Maßnahme.

Aufbruch Stuttgart meint, dass die Stadtgesellschaft ernsthaft, nachvollziehbar, verlässlich und vor allem wesentlich enger in den Prozess „Neuer Stadtraum B14“ eingebunden werden muss, damit dieses Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden kann.

Dazu ist die von uns im Bürgerhaushalt 2023 vorgeschlagene Infobox plus eventuelle, damit verbundene Maßnahmen gedacht. Vielleicht aber übernimmt ja die Landeshauptstadt Stuttgart diesen Vorschlag auch dann, falls er in der Abstimmung nicht die gewünschte Mehrheit erhalten hat.

Ich freue mich, von Ihnen dazu wieder zu hören.

Diese ePost ist zeitgleich an asp Architekten & Koeber Landschaftsarchitektur verschickt worden.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Rossmann
Vorsitzender Aufbruch Stuttgart e. V.

ZUSAMMEN MACHEN WIR STADT

Für eine Stadt, von der wir träumen!

JETZT BÜRGERHAUSHALT STUTTGART 2023 BEWERTEN

2389 Vorschläge für den Bürgerhaushalt 2023 haben die Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts abgegeben. Ab Donnerstag, 16. Februar 2023, können die Vorschläge von allen Stuttgartern und Stuttgarterinnen online bewertet werden.

Mit dem Vorschlag 71160 wirbt Aufbruch Stuttgart e. V. für den Umbau der B14 als nächstes großes Zukunftsprojekt der Stadt. Dafür wollen wir eine Projektplattform „Zielplanung Neugestaltung Stadtraum B14“einrichten. Zu dieser Plattform gehören eine Infobox nach dem Vorbild der Berliner Infobox zum Humboldtforum sowie ein regelmäßig tagender Workshop, in dem die Neugestaltung des Stadtraums diskutiert, konzeptionell weiterentwickelt und die Realisierung vorangetrieben werden. Für Workshops und Infobox sollen entsprechende Haushaltsmittel bereitgestellt werden.

Mit dem Thema liegt Aufbruch Stuttgart e. V. richtig. Die abgegebenen Vorschläge zeigen eine deutliche Tendenz zu den Themen Verkehr und ÖPNV, Städteplanung und Grünflächen. Im Vorschlag 71160 von Aufbruch Stuttgart finden sich genau diese Themen wieder.

Wer es noch nicht getan hat und dabei sein möchte, sollte sich jetzt mit seinem Namen oder mit einem Pseudonym seiner Wahl unter https://www.buergerhaushalt-stuttgart.de/ registrieren. Danach können Sie vom 16. Februar bis 8. März 2023 die Beiträge bewerten und mitbestimmen. Es ist also ganz einfach, machen Sie mit! Machen Sie Werbung in der Familie, bei Freunden, Bekannten und in Ihrem Sportverein – für eine lebens- und liebenswerte Stadt Stuttgart! Es gilt, viele Stimmen zu sammeln, denn nur die am besten bewerteten 100 Vorschläge werden schließlich dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt.

DER STADTVERBESSERER

Leib und Seele ansprechende Häuser zu bauen, in denen der Mensch sich zuhause fühlen kann, darauf kam es ihm an – Zum Tod des großen Stuttgarter Architekten Arno Lederer

Als vor Kurzem Arno Lederers neues Buch mit seinen Texten zur Architektur im Stuttgarter Hospitalhof vorgestellt wurde, bemerkte der Kollege Christoph Mäckler am Rand der Veranstaltung: „Er ist ein Großer der deutschen Architektur.“ Dass der Frankfurter Architekt mit dieser Meinung nicht allein ist, ließ sich schon an den rund vierhundert Besuchern ablesen, die aus der ganzen Republik zusammengekommen waren, um bei dieser Gelegenheit Arno Lederer ein letztes Mal zu ehren. Denn es hatte sich herumgesprochen, dass der Architekt, der an diesem Nachmittag selbst schon gar nicht mehr teilnehmen konnte, schwer krank war.

Am vergangenen Samstag, eine Woche nach diesem vorgezogenen Abschied, ist Arno Lederer in seiner Geburtsstadt Stuttgart gestorben. Er wurde 75 Jahre alt. Was Baukunst vermag, das hat der Architekt seinen Zeitgenossen mit jedem Projekt seines Büros, aber auch als Hochschullehrer an den Universitäten Karlsruhe und Stuttgart ebenso wie als Autor vor Augen geführt. Exemplarisch für seine Haltung, ein Haus stets von der Stadt her zu denken, stehen im umfangreichen Werkkatalog die drei wichtigsten Stuttgarter Bauten von Lederer Ragnarsdóttir Oei: Das 2014 eröffnete Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof, das eine graue, abgasgeschwängerte Durchgangszone mit einem öffentlich zugänglichen, rosenbepflanzten Innenhof in einen Ort zum Verweilen verwandelt hat. Der Erweiterungsbau der Landesbibliothek an der B14 ist dagegen noch ein Wechsel auf die Zukunft. In der Hoffnung, dass die Tage dieser monströsen Verkehrsschneise gezählt sein mögen, stellt er sich direkt an die Straße, statt wie die Nachbarbauten Abstand zu den Blechkolonnen zu halten. Eine große Freitreppe, klassischer Begegnungsort im öffentlichen Raum, macht Stadt, wo noch keine Stadt ist.

Aber Architektur – das war Arno Lederers Maxime – darf nicht vom Status quo ausgehen, sondern muss ihrer Gegenwart um mindestens fünfzig Jahre voraus sein. Zu sehen ist das ein paar Schritte weiter auch am Wilhelmspalais, das mit einer (noch im Bau befindlichen) Treppenkaskade aus seiner Nachkriegsisolation geholt wurde. Diese genaue Erkundung des Ortes, seiner Geschichte und seines baulichen Umfelds, war für Arno Lederer unabdingbare Grundlage eines Entwurfs.

Für die kleineren Projekte der Anfangsjahre – Einfamilienhäuser, Kindergärten, Schulen, Verwaltungsgebäude – galt das ebenso wie für die großen Kaliber aus jüngerer Zeit, darunter das Staatstheater Darmstadt, das sich von einer Drive-in-Festung in ein strahlend der Stadt zugewandtes Haus verwandelt hat, das Historische Museum im Zentrum von Frankfurt, das mit Preisen überhäufte Kunstmuseum in Ravensburg, die riesige Firmenzentrale der Drogeriemarktkette dm in Karlsruhe und zuletzt das von der Einwohnerschaft geradezu schockverliebt in Besitz genommene Volkstheater in München.

Von den gerasterten Kisten, die heute die Städte überziehen, unterscheiden sich die Lederer-Bauten durch massive, plastisch geformte Körper. Architektur – auch das ein Glaubenssatz seines Büros – ist für die Dauer gemacht, darin besteht ihre Nachhaltigkeit.

An der Moderne kritisierte Arno Lederer ihre Geschichtsvergessenheit: ihren reduzierten Formenkanon, ihre städtebauliche Tabula-rasa-Mentalität, ihre Fortschrittsgläubigkeit. Auch in ihren besten Zeugnissen habe sie vor allem Solisten hervorgebracht, keine Orchesterspieler, die sich als Teil eines größeren Ganzen verstehen. Arno Lederer dagegen wollte immer Orchesterspieler sein, an der Stadt weiterbauen, sich mit Formen und Material, vorzugsweise Backstein, in den Bestand einfügen.

Seine Architektur hat eine Formensprache entwickelt, die zwischen alt und neu oszilliert und die Kargheit des zeitgenössischen Bauens ebenso hinter sich lässt wie historisierende Stilkopien. Letztlich kam es ihm nur auf eines an: schöne, Leib und Seele ansprechende Häuser und Stadträume zu bauen, in denen der Mensch sich zuhause fühlen kann.

Für Aufbruch Stuttgart e. V. spielte Arno Lederer eine tragende Rolle. Er war 2017 an der Gründung des Vereins beteiligt und trieb die öffentliche Debatte mit eigenen städtebaulichen Vorschlägen zur Neuordnung des Kulturquartiers entscheidend voran. Seinen kollegialen Kontakten war es auch zu verdanken, dass Aufbruch Stuttgart e. V. im Herbst 2018 den spektakulären Workshop „Aufbruch Kulturquartier“ mit fünf namhaften Architekturbüros aus dem In- und Ausland veranstalten konnte. Die Idee dahinter: Einmal ohne Rücksicht auf Denkverbote und Das-geht-nicht-Parolen aus Politik und Verwaltung seiner Fantasie freien Lauf lassen, Konzepte für Stuttgart zu entwickeln, die Utopie und Realitätssinn miteinander verbinden.

Dem städtebaulichen B14-Ideenwettbewerb von 2020 gab dieser Workshop ebenso wie der von Aufbruch Stuttgart veranstaltete Workshop „Aufbruch Verkehrswende“ mit Verkehrsplanern entscheidende Impulse.

Besonders am Herzen lag Arno Lederer auch die Zukunft der Stuttgarter Oper. Mit aller Entschiedenheit lehnte er den geplanten Einbau einer Kreuzbühne ab. Der Littmann-Bau, eines der letzten intakten Stuttgarter Baudenkmale von Rang, müsse in seiner historischen Form bewahrt werden, ohne die Belange des Theaterbetriebs in Frage zu stellen. Gleichzeitig warb er für die Chance, die Sanierung des Opernhauses für eine städtebauliche Verbesserung zu nutzen, von der die ganze Stadtgesellschaft profitiert.

In diesem Sinne wird sich der Verein weiter engagieren.

Stuttgart verliert mit Arno Lederer einen geistreichen, streitbaren, engagierten Ideengeber und hervorragenden Architekten. Seine Stimme wird fehlen – in dieser Stadt und weit darüber hinaus.

Foto: © Volker Karcher