Kurzvortrag anlässlich der Veranstaltung von Aufbruch Stuttgart und dem Schwäbischen Heimatbund am 24. November 2022 in Stuttgart

Eike Möller, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg

Sehr geehrter Herr Rossmann, sehr geehrter Herr Rittmann, meine sehr geehrter Damen und Herren,

ich darf mich zunächst für Ihre Einladung bedanken, zu Ihnen zu sprechen. Herr Rossmann hatte mich angesprochen und mich gebeten, einmal darzulegen, warum der Bund der Steuerzahler eine Umfrage in Auftrag gegeben hat, um zu erfragen, wie die Bevölkerung Stuttgarts und Baden-Württembergs zur Sanierung der Stuttgarter Oper stehen und was die Ergebnisse dieser Umfrage sind. Diesem Wunsch komme ich natürlich gern nach.

Ich darf Ihnen vorab versichern, dass auch der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg die Notwendigkeit sieht, die Umstände, unter denen die Oper derzeit arbeitet, deutlich zu verbessern. Das Gebäude hat Sanierungsbedarf, die Technik ist veraltet, die Mitarbeiter arbeiten unter fragwürdigen Bedingungen. Wir befinden uns also nicht in Fundamentalopposition zu den Sanierungsbefürwortern. Der Bund der Steuerzahler hat seine Auffassung zur Opernsanierung auch gegenüber dem Bürgerforum artikuliert. Wir haben also stets versucht, uns konstruktiv in den Diskussionsprozess um die Oper einzubringen. 

Wir sehen aber auf der anderen Seite den massiven Finanzierungsbedarf der derzeit favorisierten Pläne.

Die Hauptmotivation der Auftragserteilung der Umfrage war im Grunde die von Bundeskanzler Scholz ausgerufene Zeitenwende. Wir alle wissen: Seit einigen Monaten ist die Welt eine andere als sie vorher war. Im Grunde erscheint es ja fast zynisch angesichts des unermesslichen menschlichen Leids der Ukraine über finanzpolitische Folgen in Deutschland zu reden, aber es ist aus unserer Sicht leider notwendig, weil sich eben die Dinge geändert haben.

Mit welchen Entwicklungen sind wir heute im Gegensatz zu früher konfrontiert? Wir erleben einen massiven Druck auf die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte. Das liegt an den gestiegenen Ausgaben für die Flüchtlingshilfe, an gestiegenen Ausgaben für die Landesverteidigung, an den gestiegenen Ausgaben für den Zinsdienst, aber vor allem an den Ausgaben für Hilfen an Bürger und Unternehmen, um die Folgen von den hohen Energiepreisen und der Inflation abzufedern. Von den notwendigen Ausgaben zur Bekämpfung der Klima-Krise gar nicht zu sprechen.

Diese Mehrausgaben werden vor allem über die Aufnahme neuer Schulden finanziert. Wir verschieben die Lasten der Krise zumindest partiell auf die Zukunft und damit auf die Schultern unserer Kinder und Kindeskinder. Bisher greift vor allem der Bund zur Neuverschuldung und der ist bekanntermaßen an der Finanzierung der Oper nicht beteiligt. Aber ich kann nur davor warnen zu glauben, im Gegensatz zum Bund könne in Baden-Württemberg und Stuttgart alles so bleiben wie es ist.

Natürlich spürt eine Stadt wie Stuttgart eine Wirtschaftskrise, wenn in naher Zukunft die Gewerbesteuereinnahmen zurückgehen. Im Juli dieses Jahres hat Bürgermeister Führmann prognostiziert, dass die Stadt Stuttgart in den kommenden vier Jahren eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 1,17 Milliarden Euro aufnehmen wird. Und auch das Land sieht sich mit Forderungen nach zusätzlichen Unterstützungszahlungen konfrontiert. Zurecht hat daher Finanzminister Bayaz in seiner Einbringungsrede des nächsten Doppelhaushalts darauf hingewiesen, dass die aktuelle Krise das Land lange begleiten wird. Und er hat auch zurecht daran erinnert, dass das Land in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 15 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen hat.

Ich denke der Analyse, dass wir in anderen Zeiten leben als zu Beginn des Jahres 2020, als das so genannte Bürgerforum Opernhaus gestartet ist, kann man nicht widersprechen.

Gleichzeitig beobachten wir aber, dass die Planungen der Großprojekte in Stadt und Land so weitergehen als sei nichts geschehen. Im Sommer des vergangenen Jahres hat die Stadt Stuttgart den Grundsatzbeschluss gefasst, das vorliegende Sanierungskonzept inklusive der Kreuzbühne umzusetzen. Zumindest ich habe seitdem nicht gehört, dass angesichts der beschriebenen Zeitenwende an diesem Beschluss gerüttelt würde. Weitere Großprojekte, wie der Neubau eines Konzerthauses, sind weiterhin angedacht. Der Beschluss der Stadt zum Bau der Interimsspielstätte ist auf das Gleis gesetzt.

Das Land hingegen setzt das von ihr selbst oft gerühmte zweistufige Entscheidungsverfahren um. Im ersten Schritt wurden die Mittel für die Planungen des Sanierungskonzeptes freigegeben. Der zweite Schritt ist der Beschluss über die Realisierung der Maßnahme, also die Bauentscheidung. Dieser Beschluss soll aber auf Basis einer detaillierten Ausführungsplanung und einer entsprechenden Kostenschätzung erfolgen.

Unser Eindruck ist allerdings, dass es fraglich ist, ob die Mehrheit der Landtagsabgeordneten den Mut finden wird, die Bauentscheidung in Frage zu stellen. CDU-Fraktionschef Hagel ist zumindest heftiger Gegenwind entgegengeschlagen, als er das Sanierungskonzept in Frage gestellt hat.

Man muss daher konstatieren, dass die Zeitenwende zwar ausgerufen wurde, dass diese aber den Planungsprozess der Oper nicht tangiert. Das ist nicht unproblematisch, weil es den sozialen Zusammenhalt betrifft. Ich glaube, es ist nicht zu vermitteln, wenn auf der einen Seite die Bürger auf Härten eingestimmt werden und ihnen Einspartipps für die private Lebensführung unterbreitet werden, und auf der anderen Seite ein Sanierungskonzept umgesetzt wird, das nach meiner Einschätzung deutlich über eine Milliarde Euro kosten wird. Und unsere Vermutung war, dass das die Mehrheit der Bevölkerung genauso sieht.

Um diese Vermutung zu überprüfen, haben wir eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Die Frage, die wir gestellt haben, lautete: „Sollte die Sanierung der Staatsoper in Stuttgart Ihrer Meinung nach neu geplant werden, weil sie mit Steuergeldern in Höhe von über einer Milliarde Euro zu teuer ist?“ Wie ich aus der Presse erfahren habe, meint die Staatssekretärin für Bürgerbeteiligung, dass diese Frage auf die Antwort angelegt ist. Das war aber nicht unsere Intention. Wir wollten tatsächlich wissen, wie die Meinungslage ist. Wir haben aber bewusst die eine Milliarde Euro in die Fragestellung aufgenommen, weil es eine relevante Information für die Befragten ist.

Das Ergebnis der Umfrage ist aber derartig eindeutig, dass die Vermutung nahe liegt, dass auch eine anders formulierte Fragestellung zu einem ähnlichen Ergebnis geführt hätte. 77,1 Prozent der Bürger Baden-Württembergs sagen: ja, die Sanierung sollte neu geplant werden, 9,1 Prozent sind unentschieden, 13,8 Prozent lehnen eine Neuplanung ab. Also spricht sich eine Dreiviertelmehrheit für eine Neuplanung aus. In der Befragung wurde zwischen Teilnehmern aus Baden-Württemberg und Stuttgart unterschieden, so dass ein leicht differenziertes Bild entsteht: Die Befragten, die aus Stuttgart kommen, sprechen sich zu 74,2 Prozent für eine Neuplanung aus, also etwas weniger als der Querschnitt des Landes. Es handelte sich um eine Online-Befragung. In die Befragung eingeflossen sind 2.000 Bundesbürger aus Baden-Württemberg. Die Umfrage ist repräsentativ bei einem statistischen Fehler von 4,1 Prozent. Durchgeführt wurde die Befragung von der Firma Civey.

Natürlich ist es nun Aufgabe der Landespolitik und der Stadt Stuttgart diese Ergebnisse zu bewerten. Der Bund der Steuerzahler ist der Auffassung, sie sollten beachtet werden. Die Sanierung eines Operngebäudes für vermutlich deutlich über eine Milliarde Euro scheint aus der Zeit gefallen. Wenn die Bürger auf Härten eingestimmt werden, sollten wir auch favorisierte Projekte überdenken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.